Theodor Wentzke:
Interessenorientierung von Industrieangestellten
Den Gewerkschaften – so heißt es – kommen die Mitglieder abhanden: Mit der Abnahme der Zahl der Arbeiter in der Produktion verlören die Gewerkschaften ihre traditionelle Klientel, ohne daß sie unter den Angestellten ausreichenden Ersatz fänden. Zu unterschiedlich seien deren Arbeitssituationen, zu differenziert die mit den Berufsbildern der Angestellten einhergehenden Interessen, als daß diese in den Gewerkschaften als Vertretern einer "homogenen" Arbeiterschaft ihre gesellschaftspolitische Heimat wahrnehmen könnten.
In diese Projektionen über die Zukunft der Gewerkschaften gehen Vermutungen über das Bewußtsein von Angestellten ein, die theoretisch nicht fundiert sind und empirisch auf ungeprüften Annahmen beruhen. Hier setzt Theodor Wentzkes Untersuchung der Grundzüge des Bewußtseins von Industrieangestellten an.
Theodor Wentzke geht zunächst der Frage nach dem sozialen Standort des modernen Angestellten nach und untersucht, inwieweit es sich hier um eine eigene wie einheitliche gesellschaftliche Gruppierung handelt. Er weist nach, daß es sich bei der Unterscheidung zwischen Arbeiter und Angestelltem eher um eine des Arbeits- und Versicherungsrechtes sowie tradierten Sprachgebrauches handelt denn um eine Reflexion realer sozioökonomischer Kategorien.
Um die Analyse des Angestelltenbewußtseins von spekulativen Momenten zu befreien, stützt sich der Autor auf die Resultate von 220 Interviews, die als offenes persönliches Gespräch durchgeführt wurden. Intendiert war dabei die empirische Rekonstruktion von Grundorientierungen, generalisierten Erwartungshaltungen sowie von Deutungen und Legitimationen, die die Wahrnehmung und Interpretation der eigenen Interessenlage, die Beurteilung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Entwicklung von Strategien zur Durchsetzung eigener Interessen strukturieren.
Als zentrale Ergebnisse seiner Untersuchung postuliert Th. Wentzke:
Ausführlich zeichnet der Autor die Argumentations- und Interpretationsmuster nach, nach denen Angestellte sowohl ihr Selbst- als auch ihr gesellschaftliches Bewußtsein konstituieren und zu einem Urteil über die Bedingungen und Möglichkeiten ihrer sozioökonomischen Lage kommen. Dabei treten durchaus auch Fehleinschätzungen und Widersprüche zutage, die insbesondere die Haltung des Angestellten gegenüber demokratisierenden Institutionen in den Betrieben selbst wie etwa der Mitbestimmung oder, im gesellschaftlichen Maßstab, der Tarifautonomie sowie den Gewerkschaften als Interessensorgan der abhängig Beschäftigten negativ beeinflussen. Neben einer umfänglichen Dokumentation real existierender Bewußtseinslagen liefert Theodor Wentzke damit implizit auch fundierte Argumentationshilfen für jene, die sich mit der derzeit vorherrschenden Atomisierung und dem idealistischen Einzelkämpfertum einer ganzen gesellschaftlich relevanten Schichtung nicht abfinden mögen.
Das Werk liefert eine Fülle empirischer Daten und Fakten, Hintergrundinformationen sowie wertvolle sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse u. a. zu folgenden Themenbereichen: